22. Dezember 2024

Dennis Stephan

Ich habe lange Zeit geglaubt, ich würde schreiben, um meine Umwelt zu verarbeiten. Und, zugegeben, diese Annahme passt perfekt zur Generation, der ich angehöre. Eine Generation, bestehend aus jungen Menschen, die ständig auf der Suche sind nach sich selbst, einander und dem gewissen Etwas, das alles miteinander verbindet. So zumindest sehe ich uns. Erst kürzlich gestand ich mir ein, dass mein Schreiben weniger mit der Außenwelt zu tun hat als mit meiner inneren. Und dass das eigentlich immer so war.

Schon als ich klein war, lebte ich mit dem linken Fuß in dieser und dem rechten Fuß in einer anderen Welt. Fußball? Nee! Bundesjugendspiele? Bloß nicht! Einem Sportverein beitreten? Nope! In mir aber fand ich einen Ort, dessen Rätsel ich lösen wollte. Damals hatte ich noch nicht das Alphabet entdeckt. Stattdessen malte ich Bilder, mit Wasserfarben, Blei-, Bunt- und Filzstiften. So erzählte ich meine Geschichten, tauchte nach funkelnden Teilen meiner Selbst und hob sie an die Oberfläche. Aber auch das ist eigentlich nur die halbe Wahrheit, denn was in meinem Inneren vor sich geht, ist immer auch ein Spiegelbild der Außenwelt. So besagt es selbst eines der kosmischen Gesetze.  

Meine erste geschriebene Geschichte war ein Kinderkrimi, den ich mit etwa 10 Jahren begann, aber nie beendete. Trotzdem lag es nahe, dass ich mein tägliches Brot eines Tages mit Worten verdienen würde. Ich studierte Journalistik, ging für ein redaktionelles Praktikum nach Wien und landete als „fester Freier“ (ja, das heißt wirklich so!) bei einem Magazin in Berlin. Journalist, Texter, Autor, Content- und Copywriter … Welcher Titel mir in meinen Jobs heute auch übergestülpt wird, immer geht es darum, Geschichten zu erzählen.

Obwohl ich – wenn ich muss – in Druckbuchstaben schreiben kann, ist meine Handschrift selbst schnörkelig, klassisch-literarisch und voll von Metaphern. Ich bin Animist, Melancholiker und Romantiker (vielleicht der letzte meiner Art?) und dementsprechend klingen die Geschichten, die ich zu erzählen habe. Ich finde, ein Text, der es nicht schafft, Bilder zu malen, ist nicht mehr als eine Aneinanderreihung von großen und kleinen Buchstaben.  

Über was ich nun eigentlich schreibe? Über all die Themen und Menschen, die sich irgendwann einmal auf der Wasseroberfläche meines Inneren gespielt haben oder vielleicht sogar in dem dunklen Meer versunken sind und auf Bergung warten. Über alte Lieben unter unglücklichen Sternen, den Funken Magie in unserem viel zu aufgeklärten Alltag, über all die Momente, in denen Seelen sich begegnen und einander wirklich erkennen – manchmal nur einen Wimpernschlag lang.

»Liest man eine Geschichte bis zur letzten Seite, dann weiß man mehr über den Geschichtenerzähler als über seine Figuren. «
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Netzwerk queer-schreibender Autor*innen

Immer wieder Fragen mich die Leute, ob meine Romane nicht eigentlich Biografien sind. Und ich frag mich das manchmal selbst. Ja, vermutlich handeln all meine Texte von Dingen, an die ich mich erinnere – oder, an die ich mich gern erinnern würde. Meine Theorie ist: Liest man eine Geschichte bis zur letzten Seite, dann weiß man mehr über den Geschichtenerzähler als über seine Figuren. 

Dennis Stephan (*30.01.1989 in Berlin)

Text & Bilder © Dennis Stephan;
mit freundlicher Genehmigung.
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